Erneut Prozessstart gegen Müllsammler
Veröffentlicht: Freitag, 19.05.2023 11:30
Im Amtsgericht Münster haben sich im Prozess gegen den als "Müllsammler" bekannten Mann turbulente Szenen abgespielt.

Seit heute Vormittag läuft im Amtsgericht Münster der wiederholte Prozessstart gegen den als "Müllsammler" und "Kran-Kletterer" bekannten Mann aus Kinderhaus. Schon bei der Aufnahme der Personalien des Angeklagten vor dem Verlesen der Anklageschrift fiel er der Richterin immer wieder ins Wort, sodass sie ihm androhte, ihn des Gerichtssaals zu verweisen. Nach Verlesen der Anklagepunkte durch die Staatsanwaltschaft Münster versuchte der Angeklagte wieder, den Prozess aussetzen zu lassen.
Die Richterin hat den Prozess daraufhin außerplanmäßig unterbrochen. Das Gericht musste besprechen, wie es mit dem Verhalten des Angeklagten weiter umgeht. Immer wieder ist der 59-Jährige zuvor der Richterin und der Staatsanwaltschaft ins Wort gefallen. Unter anderem der Richterin warf er vor, seine Rechte mit Füßen treten. Die Staatsanwaltschaft wies den Vorwurf wie alle anderen zurück. Die zuständige Richterin drohte ihm auch an, ihn des Saales zu verweisen.
Ereignis vor dieser Prozess-Unterbrechung: Der Angeklagte beschuldigte den Sachverständigen des Prozesses anderthalb Stunden lang. Der Sachverständige, der zuständige Psychiater in diesem Verfahren, lies jeden Vorwurf über sich ergehen. Als der Angeklagte ihn dann aber einen "Gewalttäter" nannte, der seine Patienten misshandele, fuhr der Sachverständige aus der Haut. Beide schrien sich kurz an. Die Richterin und der Staatsanwalt, die zuvor noch geduldig mit dem Angeklagten umgegangen waren, verschärften ab dann deutlich ihren Ton. Sie hatten Mühe, den Prozess geordnet weiterzuführen.
"Jetzt reicht's aber" - Ansage von der Richterin
Immer wieder mussten die Richterin und der Staatsanwalt den Angeklagten lautstark dazu bringen, zu schweigen. Er wiederum reagierte - wie schon beim ursprünglichen Prozessauftakt vor einer Woche - ihr gegenüber provokant: Sie solle - Zitat - "ganz vorsichtig sein" und nicht so ausfallend reagieren, als die Richterin den 59-Jährigen mit einem lauten "Jetzt reicht's aber" versuchte, zum Schweigen zu bringen.
Insgesamt unterbrach die Richterin den Prozess heute wegen des unangemessenen Verhaltens des Angeklagten zwei Male. Ein paar Vorwürfe gestand der Angeklagte dann später noch. Die Nachbarin verletzt zu haben, verneinte er dagegen. Heute in einer Woche geht der Prozess mit Zeugengesprächen weiter.
Eigentlich hatte bereits vergangene Woche der Prozessauftakt stattgefunden. Der sei aber ungültig gewesen, erklärt Amtsgerichtssprecher Matthias Bieling im ANTENNE MÜNSTER-Interview:
"Der Angeklagte hat im ersten Hauptverhandlungstermin am 11. Mai Aussetzungsanträge gestellt und den unter anderen begründet, dass ihn die Ladung zu diesem Termin am 11. Mai nicht rechtzeitig erreicht hat. Es braucht eine Woche Vorlauf. Das Gericht hat das geprüft und ist auch zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Frist im Vorlauf nicht eingehalten worden ist und sieht sich deshalb veranlasst, den Prozess nun noch einmal neu zu beginnen."
Was passiert heute im Prozess?
Heißt: Zu Beginn heute um 9:30 Uhr verlasen die zuständigen Staatsanwälte noch einmal die Anklagepunkte. Danach ging es aber, wie ursprünglich für diesen - eigentlich - zweiten Termin geplant weiter, sagt Sprecher Matthias Bieling:
"Der Angeklagte wird nach Verlesen der Anklageschrift auf jeden Fall die Möglichkeit haben, sich zur Sache einzulassen. Und es sind für den weiteren Prozesstag auch Zeugen geladen. Das Gericht steigt also auch schon in die Beweisaufnahme ein - soweit alles nach Plan läuft."
Lange Liste an Vorwürfen
Der 59-Jährige aus Kinderhaus hortet seit Jahren Müll und ist im vergangenen Jahr gleich zweimal auf den Baukran an der Ecke Hammer Straße/Hermannstraße geklettert. Damit hat er unter dem Spitznamen "Kran-Kletterer" weit über Münsters Stadtgrenzen hinaus Aufsehen erregt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 59-Jährigen unter anderem Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung vor.
Unruhiger Prozessauftakt vergangene Woche
Am Donnerstag vor einer Woche (11. Mai) startete der Prozess - und der Angeklagte legte los! Der Prozessauftakt dauerte nur eine Stunde. Und in der hatte die leitende Richterin alle Hände voll zu tun, um Struktur in den ersten Prozesstag zu bekommen. Immer wieder fiel der 59-Jährige ihr oder den Staatsanwälten ins Wort. Beim Versuch der Richterin, ihn zu beruhigen, rief er ihr zu, dass sie garnicht - Zitat - "so dämlich grinsen" solle. Und dem Staatsanwalt sagte er, dass er es menschenverachtend fände, dass seine Arbeit als "Müll sammeln" bezeichnet würde. Während die Staatsanwälte sprachen, drehte er sich auf der Anklagebank sitzend eine Zigarette - davor und danach machte er sich eifrig Notizen auf einem Zettel.
Die ihm zugeteilten Anwälte lehnte er ab, weil er sich durch sie nicht ordentlich vertreten fühlt. Deswegen verteidigt er sich nun selbst: 32 Seiten hat er erarbeitet, in denen steht, weshalb das Gericht das Verfahren nun aussetzen sollte. Das lässt die Richterin nun prüfen und entscheidet am nächsten Prozesstag morgen in einer Woche, wie es weitergeht.
Bis Ende Juni hat das Gericht neun Prozesstermine geplant. Spätestens dann soll es ein Urteil geben.


