Zoo bedauert Todesfälle

Im Allwetterzoo sind jüngst ein Faultier und zwei Störche qualvoll verendet. Der Zoo räumt Probleme bei Technik und Aufsicht ein.

Faultier "Fiona" im Allwetterzoo
© Allwetterzoo Münster

ANTENNE MÜNSTER dokumentiert das Statement des Allwetterzoos im Wortlaut. Hervorhebungen durch Fettdruck sind von uns redaktionell hinzugefügt.

Statement Faultier

Wie bereits in der letzten Woche berichtet, hat das Team des Allwetterzoos am Morgen des 10.07. das Faultier "Pauli" in der Meranti-Halle tot aufgefunden. In den letzten Tagen hat uns die Suche nach der Ursache sowie die Aufarbeitung der Vorkommnisse intensiv beschäftigt. Die Erkenntnisse möchten wir transparent teilen. Die pathologische Untersuchung des Faultieres ergab Befunde, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Zusammenhänge mit Hitzestress zurückzuführen sind. Die weiteren Ergebnisse sind Nebenbefunde, die allein nicht zum Tod eines Faultieres führen. Wir müssen davon ausgehen, dass die hohen Temperaturen ausschlaggebend für den Tod des Tieres waren.

Bislang konnten wir die Temperaturen, auch an heißen Tagen, durch eine aktive Lüftung gut steuern. Daher war die Kühlung der Halle mittels Klimatechnik zu dem Zeitpunkt noch nicht in Betrieb. Aus heutiger Perspektive haben wir die Situation der Temperaturentwicklung falsch eingeschätzt. Aus diesem Fehler haben wir Rückschlüsse für die Steuerung der Klimatechnik gezogen und das Klimamanagement verbessert.

Die Temperaturen in der Halle stellen für unsere Tiere im Allgemeinen kein Risiko dar. Alle Hallenbewohner können sich stets in separat temperierte Bereiche zurückziehen. Auch für das Faultier, welches keinen direkten Zugang zu rückwärtigen Gehegen hat, gibt es separate Bereiche hinter den Kulissen. Daher wurde von der zoologischen Leitung das Risiko einer gesundheitlichen Beeinträchtigung unserer Tiere durch Hitzeentwicklung in der Halle generell als gering eingeschätzt.

Unser Team der Tierpflege beobachtet das Verhalten der Tiere engmaschig. Auch Hinweisen von Besuchern gehen wir nach und nehmen diese ernst. Egal ob Wochenende oder Feiertag, unsere Tiere werden durchgehend und kompetent durch ein Team von Tierpflegern, Tierärzten und Zoologen betreut. Dies war auch an dem besagten Wochenende der Fall. Die gezeigten Szenen im Video, in denen das Faultier am Wassernapf trinkt, lagen dem Team des Zoos zur Beurteilung der Situation nicht vor. Pauli war unruhiger als gewöhnlich und wechselte häufiger seinen Aufenthaltsort, da er aber gefressen und auch Kot abgesetzt hat (dafür geht das Faultier auf den Boden), sah das Team keinen akuten Handlungsbedarf.

Uns sind in der Einschätzung der technischen und tierischen Situation Fehler passiert, unter denen wir leiden und die uns tief betroffen machen. Wir geben alles, um solch einen Vorfall nie wieder erleben zu müssen.

Zur Situation der Störche

Als die Großflugvoliere 1974 gebaut wurde, gab es nach unserer Recherche im Münsterland nur ein brütendes Storchenpaar. Dementsprechend wurde bei der Bauplanung der Anlage dieser Aspekt nicht berücksichtigt. In den 80er und 90er Jahren gab es seitens Naturschützern und den zuständigen Kommunen und Behörden viele Anstrengungen der Renaturierung, um Störchen eine Wiederansiedlung zu ermöglichen. Nach über 31 Jahre Abwesenheit brüteten im Jahr 2000 dann das erste Mal wieder Weißstörche in Münster. Eine kleine Sensation. In den letzten Jahren ist die Population der Störche im gesamten Raum Münster rasant angestiegen.

2022 hatten wir im Zoo insgesamt 39 Horste mit brütenden Störchen, in diesem Jahr sind es 51 Nester. Hinzu kommt, dass laut Aussage von Experten, anstatt im Durschnitt 2-3 Jungstörche pro Nest, in diesem Jahr häufig 4, vereinzelt sogar 5 Nachzuchten groß werden. Dies ist auf das diesjährige gute Nahrungsangebot (vornehmlich Mäuse) im Umfeld zurückzuführen. Besteht Nahrungsmangel, werfen die Elterntiere die schwachen Küken relativ früh aktiv aus dem Nest. In diesem Jahr ist aber genügend Nahrung da und so werden wiederum so viele Jungstörche groß, dass der Platz im Nest im Laufe der Zeit nicht ausreicht. Ist dieser Punkt erreicht, beginnen die Vögel sich untereinander zu attackieren, bis meist der schwächste der Jungvögel, erschöpft vom Gerangel, aus dem Nest springt oder gestoßen wird. Da dies meist vor dem Flüggewerden passiert, verunglücken oder verenden diese Jungstörche oft.

Es ist richtig, dass leider erneut ein junger Weißstorch auf der Großflugvoliere verendet ist. Das Schicksal des Storches ist auch uns sehr nahe gegangen. Erneut, wie auch beim ersten Vorfall, hat sich das gesamte zoologische Team intensiv mit der Situation auseinandergesetzt und versucht einen Weg aus dem Dilemma zu finden. Das Problem hier ist, dass bei einer Rettungsaktion ein hohes Risiko besteht, dass sowohl die anderen Jungstorche aus dem Nest springen und verenden (nur wenn sie noch sehr jung sind, ducken sie sich verschreckt ins Nest - das ist auch meist der Zeitpunkt zur Beringung), als auch unsere Junggeier (Gänsegeier und Mönchsgeierküken) gefährdet sind.

Zum Hintergrund: Das Wohl der Jungvögel in solch einem Horst ist bei einem unkontrollierten Eingreifen ernsthaft gefährdet. Es besteht die Gefahr, dass Arbeiten oder auch Rettungseinsätze auf dem Netz der Geieranlage zur Bergung von verunglückten Jungstörchen, die jungen Gänsegeier (und in diesem Fall vom WE auch die weiteren jungen Störche) in Panik versetzen. Fühlen sich die Tiere bedroht, springen sie aus dem Horst. Ein Sturz aus der Höhe führt häufig zum Tod der Jungtiere durch massive Verletzungen. Diesen traurigen Ausgang eines Rettungsversuchs mussten wir bereits einmal in den vergangenen Jahren erleben.

Der Verlust eines wilden Weißstorches ist traurig, vor allem der Todeskampf ist auch für uns schwer mit anzusehen. Demgegenüber steht die Chance auf eine erfolgreiche Auswilderung unserer Geiernachzuchten in Bulgarien, wie in den vergangenen Jahren bereits mehrfach geschehen. Zur Kenntnis: Die Population brütender Geier in ganz Bulgarien ist kleiner als allein die Anzahl der brütenden Störche nur im Allwetterzoo. Selbstverständlich suchen wir händeringend nach einer Lösung für die Problematik der nistenden Störche auf unserer Großflugvoliere. Gemeinsam mit dem Veterinäramt und anderen Sachverständigen sind wir, und waren es auch im Vorfeld der letzten Vorkommnisse, auf der Suche nach einer Lösung. Die bauliche Art der Großflugvoliere lässt kein einfaches Handeln zu. Eine Überspannung mit engmaschigen Netzen, um ein Verfangen der Jungstörche in der Gitterkonstruktion der Voliere zu verhindern, kommt aufgrund statischer Probleme (Schneelast) nicht in Frage. Es ist auch fraglich, ob sogenannte Abweiser, die gegeben falls auf den Trägern der Voliere installiert werden können, sicher das Brüten der Störche an diesen Stellen verhindern.

Wir möchten an dieser Stelle nochmal deutlich machen, dass an kaum einer anderen Stelle die Überschneidung von urbanem Raum und Natur so intensiv ist wie in einem Zoo. Wir schaffen hier für unzählige Wildtiere aktiv Lebensräume, z.B. durch das Anlegen von Blühwiesen, dem Anbringen von Nistkästen für Vögel, den Bau von Insektenhotels oder der Errichtung eines Sandariums, das solitären Wespen und anderen Insekten als Nistgelegenheit dient. Es ist unser Anspruch sowohl unseren tierischen Gästen wie Eichhörnchen, Vögeln und Insekten, als auch unseren Zootieren geeignete und gute Lebensräume zu bieten. Es werden derzeit alle Optionen hinsichtlich Machbarkeit und Erfolg zur Umgestaltung der Großflugvoliere geprüft und die Ergebnisse zusammengetragen.

Über das Statement des Zoos berichtet ANTENNE MÜNSTER-Reporterin Sophie Saemann im Gespräch mit Nachmittagsmoderator Jannis Weiser am Montag (17.07.):

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