Hochwasserschutz in Münster
Veröffentlicht: Dienstag, 27.07.2021 18:10
Welche Maßnahmen wurden nach dem Jahrhundertregen 2014 bei uns in Münster ergriffen und was ist noch geplant? Die Stadt Münster beantwortet nach dem starken Unwetter in NRW, von dem Münster diesmal weitgehend verschont geblieben ist, alle Fragen zum Hochwasserschutz bei uns in der Stadt.

Welche Vorkehrungen gegen Überflutungen hat die Stadt bislang getroffen?
Gewässer: Die Renaturierung von Gewässern dient neben der Wiederherstellung natürlicher Gewässerauen dem Erosionsschutz sowie dem Hochwasserrückhalt. Aa, Canisiusgraben, Hunnebecke, Igelbach und Edelbach wurden ökologisch verbessert, mit Retentionsräumen (also Überschwemmungsbereichen) versehen, vielfach Durchlässe vergrößert oder Entrohrungen vorgenommen.
Kanalisierung: In den am schwersten betroffenen Bereichen wurde die Kanalisation nachberechnet und für folgende Straßen bereits vergrößert: Kanalstraße, Peter-Wust-Straße/Wilhelmstraße, Im Hagenfeld, Eimermacherweg, Ohmweg oder auch Adolf-Reichwein-Straße. Die Reinigung der Straßenabläufe wurden in Folge des 2014er Unwetters deutlich erhöht.
Ausbau Pumpwerke: Pumpwerke und Kläranlagen wurden umgebaut mit dem Ziel der Erhöhung der Betriebssicherheit bei Starkregen.
Überwachung: An einigen problematischen Gewässern (so Igelbach, Hunnebecke und Aa) wurden Pegel eingebaut, die zur Information der Anliegenden dienen, aber auch die Betriebsabläufe stützen.
In kritischen Infrastrukturbereichen ist eine Online-Überwachung mit Alarmierungssystem im Aufbau; Messstellen zur Niederschlags- und Durchflussmessung liefern überdies stadtweit verlässliche Ergebnisse. Eine entsprechende Software unterstützt mit diesen Echtdaten die hiesigen Simulationsmodelle und erlaubt realitätsnahe Aussagen zum Überflutungsschutz, die dann wiederum zur weiteren Optimierung der Gegenmaßnahmen beitragen.
Baugebiete: Regenwasser-Bewirtschaftungskonzepte bei Neuerschließungen und Nachverdichtungen sorgen nach dem Prinzip der sogenannten "Schwammstadt" dafür, dass Niederschlagswasser versickern und verdunsten oder auch verzögert oberflächig abfließen und in Mulden zwischengespeichert werden kann – somit nicht direkt in den Kanal abgeleitet wird.
"Diese Konzepte entzerren das Ungleichgewicht zwischen den Extremwetterlagen und verbessern das Mikroklima", sagt Berthold Reloe vom Amt für Mobilität und Tiefbau. Beispielhaft seien hier die Konversionsflächen auf dem Gelände der Oxford-Kaserne genannt. Auch das neue Wohnquartier auf dem ehemaligen Beresa-Grundstück an der Weseler Straße verfügt über genannte und so vorgeplante Retentionsräume.
Kooperationen: Über verschiedene Projekte (Bsp.: "Wasserrobuste Städte") und Klimapartnerschaften erfolgt ein steter Austausch zum aktuellen Stand der Forschung und zur möglichen Anpassung an Extremwetterlagen. Darüber hinaus werden von der Bezirksregierung Münster Hochwasseraktionspläne für Ems und Werse aufgestellt, mit deren Hilfe Hochwasserinformationen besser fließen können, Schadensrisiken und Hochwasserstände gemindert werden.
Und: Auf Grundlage der Klimaveränderungen werden weitere Investitionen in der Stadtentwässerung getätigt – bis zum Jahr 2026 rund 360 Millionen Euro.
Weshalb ist kein Rundumschutz möglich?
Kanäle sind auf so große Wassermassen, wie sie etwa 2014 in Münster auftraten, nicht ausgelegt. Sind Kanäle aufgrund von Starkregenereignissen in kurzer Zeit überfüllt, suchen sich Wassermassen insbesondere auf trockenem Boden ihren Weg.
Unwetterwarnungen erfolgen zumeist nur sehr kurzfristig. Daher sollen Vorkehrungen getroffen werden, die mögliche Schäden mindestens mindern können.
Wann ist das münstersche Kanalsystem überfordert?
Mehrere Faktoren beeinflussen die Kapazität: Regenmenge, Regendauer und die akute Intensität beispielsweise. "Ein schweres Regenereignis, das statistisch alle drei Jahre fällt, muss ohne Probleme abgeleitet werden können", sagt Berthold Reloe, "das ist der grundsätzliche Maßstab".
Tritt ein solch außergewöhnliches Regenereignis wie in der vergangenen Woche ein – dieses wird statistisch alle zehn Jahre erwartet – und ist die Kanalisation ausgelastet, "darf" das Wasser zwar auf der Straße stehen, aber keine großen Schäden auf den Grundstücken verursachen.
"Dies war in Münster der Fall, wir hatten also einen recht guten Plausibilitätscheck", so Reloe. Klar ist damit aber auch, dass nicht jedes Regenereignis schadlos durch die Kanalisation abgeleitet werden kann.
Welche weiteren Maßnahmen sind geplant?
Neben den bereits erwähnten Maßnahmen befindet sich derzeit ein Gesamtkonzept zur Neugestaltung der Innenstadt-Aa in Arbeit. Stadtweit werden Uferwände auf Schwachstellen überprüft – etwaige Bedarfe fließen in die weiteren Planungen mit ein. Derzeit entstehen zur Gefahrenabwehr umfangreiche "Starkregengefahrenkarten", die mittelfristig eine Risikobewertung für das Stadtgebiet ermöglichen werden. Diese dienen einerseits zur Information, sollen andererseits aber auch Grundlage entsprechender Gegenmaßnahmen sein.
Ein Beispiel: Werden in einem Kanal absehbar Kapazitätsgrenzen erreicht und droht eine Überflutung, sollen Wassermassen in Bereiche umgeleitet werden, wo erwartbare Schäden weniger stark ausfallen. Langfristig sollen grundstücksscharfe Einschätzungen möglich sein und damit auch bestmögliche Schutzmaßnahmen definiert werden können. Die Vorgabe ist eine "wassersensible Stadtgestaltung".
Darüber hinaus arbeitet die Stadt mit aufwändigen Simulationen und der Unterstützung von 2D-Modellierungen. Künftig sollen Bauwerke auch via 3D-Scan in diese Simulationen eingepflegt werden, um so noch genauere Ergebnisse zur Leistungsfähigkeit und Steuerungsmöglichkeit der Entwässerungssysteme zu liefern.
Wo ist das Hochwasserrisiko in Münster am größten?
Das höchste Risiko einer folgenschweren Überflutung liegt in der Innenstadt an der Aa. Des Weiteren verstärkt sich das Hochwasserisiko laut Prognosen auch an den Fließgewässern Angel (Angelmodde), Ems (Handorf), Kinderbach (Kinderhaus, Stadt), Aa (St. Mauritz) und Werse (Angelmodde, Handorf, St. Mauritz, Wolbeck) sowie Piepenbach (Wolbeck).
Jedoch können auch dann, wenn Wassermassen durch lokalen Starkregen wie 2014 zustande kommen, Gebiete ohne unmittelbare Nähe zu Fließgewässern betroffen sein.
Wo kann ich mich über den Schutz meines Grundstücks informieren?
Die städtischen Fachleute für Haus- und Grundstücksentwässerung beraten kostenfrei – Termine können telefonisch unter der Nummer 02 51/4 92-66 41 oder per E-Mail unter grundstuecksentwaesserung@stadt-muenster.de angefragt werden.
Außerdem stellt die Stadt Münster eine interaktive Karte des Umweltkatasters mit Informationen zu gesetzlichen Überschwemmungsgebieten, aber auch vielen weiteren Umwelt- und Klima-Themen (so beispielsweise Landschaftsschutzgebiete, Bodenfilterfunktionen, Belüftungskorridore etc.) zur Verfügung.