"Wir könn(t)en Pflege"

Auf dem Prinzipalmarkt ist es heute Nachmittag wieder laut geworden. Das Bündnis "Starke Pflege in Münster" hielt eine weitere Kundgebung ab.

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In Münster fühlen sich Pflegedienste und Pflege-Einrichtungen von der Politik im Stich gelassen. Das Bündnis "Starke Pflege in Münster" sieht die Versorgung in unserer Stadt mittlerweile als gefährdet an. Mit der großen Kundgebung wollte das Bündnis auf die Lage aufmerksam machen. Seine Forderung: Die Langzeitpflege muss wieder besser wahrgenommen werden. Zum bekannten Fachkräftemangel kommen noch viele bürokratische Hürden, die schnelles Reagieren unmöglich machen.

Im Vorfeld des Bühnenprogramms spielten "The Dandys", deren Frontmann Dieter Kemmerling sich in Münster seit Jahren aktiv für Organspenden engagiert. © ANTENNE MÜNSTER
Im Vorfeld des Bühnenprogramms spielten "The Dandys", deren Frontmann Dieter Kemmerling sich in Münster seit Jahren aktiv für Organspenden engagiert.
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Autokorso und Hupkonzert

Nach dem Bühnen-Programm gab es einen Korso mit Fahrzeugen der ambulanten Pflege. Mit einem Hupkonzert haben sie ein lautstarkes Zeichen gesetzt. ANTENNE MÜNSTER-Chefreporter Matthias Menne berichtet im Gespräch mit Nachmittagsmoderator Philipp Moser vom Prinzipalmarkt:

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Eindrucksvoll und unüberhörbar: Der Autokorso mit etwa 100 Fahrzeugen.© ANTENNE MÜNSTER
Eindrucksvoll und unüberhörbar: Der Autokorso mit etwa 100 Fahrzeugen.
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Rund 500 Pflegebeschäftige sind auf den Prinzipalmarkt gekommen und alle wussten, warum sie da waren:

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Roland Weigel hat die Kundgebung organisiert und ist mit ihrem Verlauf sehr zufrieden:

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Kritische Stimme aus Coerde

Der examinierte Altenpfleger Thiemo Kisnat, Fachkraft für außerklinische Intensivpflege, nennt die Demo "Nur gut gemeint". Als stellv. Mitglied im Sozialausschuss der Stadt Münster sowie stellv. Mitglied für die Konferenz Alter und Pflege der Stadt Münster sagt er, die Kundgebung habe "allenfalls einen Unterhaltungswert" gehabt. Und weiter: "Der ernsten Situation in der Pflege kann mit einem Grußwort des Karnevalsprinzen nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit begegnet werden."

Kisnats schriftlicher Kommentar:

Die aktuelle Lage besonders in den Notaufnahmen und auf den Intensivstationen, den Chirurgien sowie den Geburtsstationen ist mehr als besorgniserregend. Das höre ich immer wieder von Kolleg:innen in der Ausbildung sowie aus dem familiären Umfeld. Glücklicherweise haben es die Kolleg:innen der Unikliniken in NRW geschafft, im Schulterschluss mit der Gewerkschaft verdi den TV-E zu erstreiten und zu erstreiken. In welchem Maße die erstrittenen Verbesserungen nun auch tatsächlich eintreten, bleibt abzuwarten.

Aus Sicht der beruflichen Altenpflege sowie der ambulanten Pflege erscheint das Bild rund um den Pflegenotstand in den Berichterstattungen jedoch unvollständig, wenn bei aller Berechtigung (s.o.) "nur" über die Krankenhausversorgung berichtet wird. Die "Starke Pflege Münster" setzt hier das richtige Zeichen und holt die Altenpflege in die "Gute Stube" unserer Stadt. Eine Symbolik, die angemessener nicht sein könnte.

Inhaltlich tun sich in der Argumentation der "Starken Pflege Münster" jedoch Strickfehler auf. Pauschal von "den Politikern" zu sprechen, die angeblich nicht zuhören oder nur vertrösten wollen, ist hier viel zu einfach gedacht, zu oberflächlich formuliert. Hauptakteure für pflegepolitische Rahmenbedingungen ist die Landes- und die Bundespolitik. Deren Nichteinladung zur genannten Veranstaltung explizit zu erwähnen, ist an Kindsbockigkeit kaum zu überbieten.

Mit der rhetorischen Gießkanne über "die Politik" hinwegzugehen könnte die ohnehin schon weit fortgeschrittene Politikverdrossenheit innerhalb der beruflichen Pflege jedoch weiter vorantreiben. Im Pflegebedarfsplan der Stadt Münster ist festgelegt, dass vom Ausbau der stationären Pflege abgesehen wird, um gleichzeitig ambulante Versorgungsformen zu fördern.

Gegenteilig dazu fordert die "Starke Pflege" aber so etwas wie ein "1,5% Ziel" für mehr stationäre Einrichtungen. Das passt nicht zusammen. Es fehlt die Einbeziehung der Pflegekammer NRW, der Gewerkschaften Verdi und Bochumer Bund sowie des Berufsverbandes DBFK. Mit etwas Vorlauf hätten sicherlich Vertreter:innen der o.g. Verbände den Weg in Münsters Gute Stube gefunden.

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