Corona-Krise für LWL "bisher glimpflich verlaufen"

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat die Corona-Krise bisher gut überstanden. "Der LWL hat insbesondere in seinen psychiatrischen Einrichtungen und unter seinen Beschäftigten die Infektionszahlen niedrig halten können - also bis jetzt ein glimpflicher Verlauf", sagte LWL-Direktor Matthias Löb am Montag (22.06.) in Münster.

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"Große Herausforderung für die kommunale Familie"

Nach Einschätzung von Löb und LWL-Kämmerer Dr. Georg Lunemann ist der LWL auch für eine mögliche zweite Corona-Welle im Herbst gerüstet. "Wir haben ausreichend Schutzausrüstung, die Abläufe sind eingespielt, die Krisenstäbe sind in Bereitschaft. Die finanziellen Folgen aber werden eine große Herausforderung für die kommunale Familie in Westfalen-Lippe", erklärte Löb.

Entwicklung der Corona-infizierten Beschäftigten und Verdachtsfälle (Anklicken für ganze Ansicht)© LWL
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Insgesamt waren während der Pandemie in LWL-Einrichtungen höchstens 14 Patienten, Schülerinnen und Heimbewohner gleichzeitig an Covid 19 erkrankt (Mitte April). Auf dem Höhepunkt Anfang April waren 33 der insgesamt 17.000 LWL-Beschäftigten gleichzeitig mit Corona infiziert. Aktuell sind noch zwei Patientinnen und drei Beschäftigte erkrankt. In ganz Westfalen-Lippe gab es seit März rund 16.500 Infizierte.

Entwicklung der Corona-infizierten Patienten, Schüler und Bewohner sowie Verdachtsfälle (Anklicken für ganze Ansicht)© LWL
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2020 fehlen 400 Mio. Euro in der Region

Die Finanzlücke für die Kommunen in Westfalen-Lippe und den LWL taxiert der LWL-Kämmerer auf rund 400 Millionen Euro allein für 2020 - "mit vielen Unwägbarkeiten". Zwar stünden den Steuerausfällen (rund 1,7 Mrd. Euro in Westfalen-Lippe) und den höheren Sozialausgaben (500 Mio.) Förder- und Rettungsprogramme für die Kommunen gegenüber (1,8 Mrd.).

Das reiche zwar nach den derzeitigen Schätzungen insgesamt nicht. Gleichwohl begrüße er sehr die strukturelle Anhebung der Kostenerstattung bei den Kosten der Unterkunft durch den Bund.

Der LWL sei als Umlageverband auf Grund seiner zeitversetzten Finanzierungssystematik 2020 kaum von den Steuerausfällen betroffen. Dafür belaufe sich das "Corona-Delta" im kommenden Jahr allein für den LWL auf "derzeit über 100 Millionen Euro", schätzt der LWL-Kämmerer. Falls die angekündigten Mittel von Bund und Land den LWL nicht erreichten, würden 2021 "sogar weit über 200 Millionen Euro" in der Kasse des LWL fehlen. Somit komme dem Gemeindefinanzierungsgesetz 2021 eine ganz besondere Rolle zu, so Lunemann weiter.

Leere Krankenhaus-Stationen, "harte Arbeit und Hilfsbereitschaft"

"Zu Beginn der Corona-Krise haben auch wir mit Sorge nach Norditalien geguckt und dann auf unsere schnell schwindenden Bestände an Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln", sagte Löb. "Wir haben unsere Kräfte aus dem zentralen Einkauf und unseren Krankenhaus-Apotheken gebündelt, Material beschafft und zum Teil selbst produziert. Insgesamt haben wir in unseren psychiatrischen Einrichtungen zum Beispiel 100.000 FFP2-Masken und 30.000 Schutzkittel verbraucht, und wir bekamen Hilfe: Die Kolleginnen und Kollegen in unseren geschlossenen Museen haben 500.000 Schutzmasken produziert."

Wir haben also nicht nur einfach Glück gehabt, sondern wir haben hart gearbeitet, Umsicht, Eigeninitiative und Hilfsbereitschaft untereinander gezeigt. Mein Fazit: Auch wenn es eng wird, kann sich der LWL auf sein Team verlassen.

LWL-Direktor Matthias Löb


LWL-Direktor Matthias Löb (Anklicken für ganze Ansicht)© LWL/Martin Steffen
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In den LWL-Krankenhäusern habe man vorsichtshalber Stationen geschlossen und in Durchschnitt 64 Patienten pro Klinik nach Hause geschickt, um das Infektionsrisiko gering zu halten und gleichzeitig Platz für infizierte Patientinnen auf Isolierstationen zu schaffen. Am Höhepunkt der Krise waren 44 Prozent der Behandlungskapazitäten frei. Löb weiter: "Wir haben unsere Patienten, die zuhause blieben, weiterbetreut und nicht im Stich gelassen." Inzwischen seien nur noch 23 Prozent der Behandlungsplätze frei. Die Allianz der LWL-Kliniken habe dafür gesorgt, dass bei Quarantäne-Fällen unter Beschäftigten in einer Klinik das Personal aus den anderen Häusern eingesprungen sei.

Überschlägige Kommunale Bilanz des Koalitionsbeschlusses vom 3. Juni 2020, Zahlen für gesamtes Bundesgebiet (Anklicken für ganze Ansicht)© LWL
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Förderschulen

Den 6.400 Kindern an den 35 Förderschulen des LWL während der Corona-Krise gerecht zu werden, sei herausfordernd gewesen, berichtete Löb. Das gelte zum Beispiel für den sogenannten Schülerspezialverkehr, mit dem 5.200 Schülerinnen und Schüler normalerweise von 65 Busunternehmen auf über 1.300 Linien zu den LWL-Schulen mit ihren überregionalen Einzugsgebieten gebracht werden. Je nach Öffnungsstufe der Schulen - von der Notbetreuung mit knapp 300 Schülern bis hin zum kompletten Schulbetrieb - musste der LWL gemeinsam mit den Schulen und Beförderungsunternehmen den Schülerverkehr sechs Mal neu planen.

Viele Eltern seien bei der Schließung der Schulen über ihre Belastungsgrenze hinaus gefordert gewesen, da sie nicht nur das "Home schooling" übernehmen, sondern zum Teil auch noch die Pflege ihrer Kinder mit Behinderung sicherstellen mussten.

Dr. Georg Lunemann, Allgemeiner Vertreter des LWL-Direktors und erster Landesrat (Anklicken für ganze Ansicht)© LWL
Dr. Georg Lunemann, Allgemeiner Vertreter des LWL-Direktors und erster Landesrat (Anklicken für ganze Ansicht)
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Menschen mit Behinderungen in der Corona-Krise

"Zwar treffen Einschränkungen wie unter der Corona-Pandemie Menschen mit Behinderungen besonders hart, weil ihre Möglichkeiten, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, ohnehin beeinträchtigt sind", erläuterte der LWL-Direktor. Nach den Erfahrungen der vergangenen Wochen scheine aber Behinderung allein keine besondere Verwundbarkeit für das Virus zu bedeuten: In den Wohnangeboten für die 54.000 Menschen mit Behinderung in Westfalen-Lippe kam es nur zu wenigen Corona-Fällen. Seit März waren es nach Angaben von Löb insgesamt 67 infizierte Menschen mit Behinderung in Wohnangeboten, aktuell seien in der Region noch 14 Menschen mit Behinderung als infiziert gemeldet. Das zeige auch, dass die Wohnsituation und die Betreuung der Menschen mit Behinderung gut sei. Löb lobte ausdrücklich das Engagement der rund 35.000 Menschen, die in der Behindertenhilfe Westfalen-Lippes arbeiten.

Sämtliche Werkstätten für Menschen mit Behinderungen waren wegen der Pandemie vom 18. März bis zum 10. Mai geschlossen, so dass die 39.000 Menschen anderswo betreut wurden, zum Beispiel in ihrem Heim oder ihrer Wohnung. Seit dem 11. Mai fahren die Werkstätten ihren Betrieb sukzessive wieder hoch. Die Betreuerinnen und Betreuer hätten flexibel und kreativ auf die schwierigen Bedingungen reagiert, so Löb. "Der eine hat seine Klienten täglich zuhause angerufen statt sie zu besuchen, die andere hat Heimarbeit für die Werkstattmitarbeiterinnen organisiert und Videokonferenzen abgehalten."

Dramatischer Anstieg der Arbeitslosenzahlen von Menschen mit Behinderung

Sorgen mache die stark gestiegene Arbeitslosigkeit unter Menschen mit Behinderungen. Zurzeit sind in Westfalen-Lippe 24.560 Menschen mit Behinderung ohne Arbeit, das sind 2.370 mehr als vor einem Jahr (plus 10,9 Prozent). "Dieser Anstieg ist dramatisch", sagte Löb. Das LWL-Inklusionsamt Arbeit, das Kündigungen zustimmen muss, habe zwar erst 52 Kündigungen mit eindeutigem Bezug zur Corona-Pandemie erhalten. Zu vermuten sei aber, dass viele befristete Arbeitsverträge auslaufen, Geringverdiener nicht mehr angestellt oder nach der Ausbildung nicht übernommen würden.

Viele Entschädigungsanträge wegen Verdienstausfall

Das LWL-Amt für Soziales Entschädigungsrecht erreichten über 12.000 Anträge von Menschen, die Verdienstausfälle wegen Corona erlitten, weil Behörden sie unter Quarantäne gestellt oder ein Tätigkeitsverbot ausgesprochen hatten. Bislang waren es pro Jahr weniger als 100 Fälle, in denen Menschen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) für Verdienstausfälle entschädigt wurden.

Außerdem hat der LWL mit einem neuen Entschädigungsgrund zu tun: Seit Ende März bekommen auch Eltern eine Entschädigung für Verdienstausfälle, die entstanden sind, weil sie ihre Kinder wegen der angeordneten Schul- und Kitaschließungen selbst betreuen mussten. Hatte man beim Bund zunächst mit bis zu 130.000 Fällen gerechnet, sind beim LWL bisher mit 600 Anträgen deutlich weniger als erwartet eingegangen. "Wir rechnen aber noch mit mehr", sagte Löb.

Positiver Nebeneffekt: Weil so viele Fälle erwartet wurden, hat Nordrhein-Westfalen ein digitales Antrags- und Bearbeitungsverfahren entwickelt, dem sich mittlerweile neun weitere Bundesländer angeschlossen haben. Mittlerweile können Betroffene die Anträge unter https://www.ifsg-online.de stellen. "Ein wesentlicher Schritt in die Digitalisierung der Verwaltungsverfahren", so Lunemann.

Weniger Museumsbesucher - mehr digitale Angebote

Die 18 LWL-Museen und -Besucherzentren haben wegen der Schließung von Ende März bis Anfang Mai in diesem Jahr bisher deutlich weniger Besucher verzeichnet. Zum Teil gingen die Besucherzahlen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf ein Drittel zurück, andere Häuser verzeichneten immerhin noch 80 Prozent der üblichen Zahlen. Inzwischen strömten wieder mehr Menschen in die Museen, berichtete der LWL-Direktor.

"Wir gehen davon aus, dass wir in diesem Jahr 1,5 Millionen Euro weniger an Eintrittsgeldern und Shop-Erlösen einnehmen. Gleichzeitig müssen wir aber mit Mehrausgaben zum Beispiel für kürzere Reinigungsintervalle, Hygiene- und Schutzmaßnahmen rechnen", erklärte Lunemann.

Während der Schließungsphase haben die Museumsmitarbeiter an den digitalen Angeboten der Museen gearbeitet. Um das ständig wachsende Angebot besser zugänglich zu machen, hat der LWL unter http://www.kultur-digital.lwl.org auch eine Website mit einer Übersicht über die digitalen Angebote eingerichtet.

Das LWL-Museumsamt bietet seit Anfang Mai allen Museen in Westfalen-Lippe "Corona-Infos", die vor allem kleineren Museen helfen sollen, die Vorgaben einzuhalten und dem Personal und Besucherinnen Sicherheit geben.

Jugendheime: Gruppendynamisch positive Effekte

In den Wohngruppen der drei LWL-Jugendheime war die Stimmung trotz aller Einschränkungen gut. "Die Kinder und Jugendlichen hatten Verständnis - das gilt auch für die Eltern, die auf persönliche Kontakte zu ihren Kindern verzichtet haben", so Löb. "Es gab tatsächlich keine Krisen. Im Gegenteil, die Fokussierung auf das 'gemeinsame Thema' hatte sogar gruppendynamisch positive Effekte."

Home office beim LWL bleibt als eine Arbeitsmöglichkeit

Innerhalb von vier Wochen hat der LWL nach Angaben von Lunemann in seiner Verwaltung rund 1.250 neue Home office-Plätze geschaffen. Möglich sei das nur gewesen, weil in den vergangenen Jahren bereits wesentliche Geschäftsprozesse digitalisiert worden seien, zum Beispiel das Arbeiten mit elektronischen Akten. Lunemann: "Unsere IT-Abteilung hat zu Beginn der Corona-Krise dafür gesorgt, dass die Büros beim LWL menschenleer waren, während wir unsere Arbeit zuhause erledigen konnten und uns in 55 virtuellen Videokonferenzräumen getroffen haben. Bewerbungsgespräche, Besprechungen der Abgeordneten oder Webinare liefen digital. Jetzt kommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter langsam wieder zurück in ihre Büros. Wir sind auf dem Weg zur Büro-Normalität, aber Home office wird als eine Arbeitsmöglichkeit bleiben, das geht nicht wieder weg."

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